Why Nostr? What is Njump?
2024-05-04 07:32:30
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MÜNZWEG on Nostr: Die an das diskursive Denken und an die Erfahrung ge- bundene Wissenschaft gibt uns ...

Die an das diskursive Denken und an die Erfahrung ge-
bundene Wissenschaft gibt uns kein einheitliches Bild der Welt. Ihr ist
das Universum pluralistisch. Sie führt auf eine Anzahl von Begriffen
und Sätzen zurück, die wir als letzte Deutung hinnehmen müssen,
ohne zwischen ihnen eine Verbindung herstellen zu können. Sie er-
weist sich unfähig, die Lücke zu schließen, die zwischen dem System
der Wissenschaften vom menschlichen Denken und Handeln und dem
System der physikalischen Naturerkenntnis klafft; Empfindung und
Bewegung, Bewußtsein und Materie weiß sie nicht zu vereinen. Was
Leben und was Tod sind, bleibt ihr fremd.
Was uns Erfahrung und Denken versagen, gibt uns, wenn auch
in anderer Weise, als wir es von der Wissenschaft fordern, wenn wir
sie darum angehen, das Erleben. Wir können das Leben durch das
Denken nicht erfassen, noch können wir es erfahren - unser Denken
und unsere Erfahrung betreffen immer nur einzelne Bruchstücke des
Lebendigen, die unter dem Akte des Denkens und Erfahrens sich in
Totes verwandeln, nie das lebendige Leben und nie das Leben als
Ganzes - doch wir erleben es. Und indem wir unser Leben leben,
leben wir alles Leben, erleben wir die Einheit und untrennbare Ver-
bundenheit alles Lebens. Wir können die Totalität nicht im Denken
fassen, doch wir erleben sie.
Das Erleben der Ganzheit, der Einheit und der Unendlichkeit ist
das Höchste im menschlichen Dasein. Es ist das Erwachen zu höher-
em Menschentum, es macht das Dahinleben erst zum wahren Leben.
Es bietet sich uns nicht täglich und allerorten dar; günstige Stunden
müssen es sein, die uns dem Weltgeist näher bringen. Solche Stunden
kommen nur selten, doch sie lohnen tausendfach, und ein Abglanz
fällt von ihnen auf die dahinfließenden Tage, Wochen, Monate und
Jahre.
Das, was wir in diesen Stunden der Erhebung erleben, ist unser
Eigenstes und Persönlichstes, ist unser Tiefstes. Es ist so eigen und
persönlich, daß wir es keinem anderen mitzuteilen vermögen; es ruht
so tief in uns, daß es nicht bis zu unserem eigenen Bewußtsein klar zu
gelangen vermag. Wer einem geliebten Menschenwesen, wer einem
Stück Natur gegenüber, wer im Regen der eigenen Kraft noch so stark
die Gewalt des Unermeßlichen erlebt, vermag weder sich selbst noch
anderen zu sagen, was es ist, was ihn bewegt, und wie es ihn bewegt.
Das Ganze bleibt das Unsagbare, weil Denken und Sprache hier nicht
mitkommen können.
Denn nur ein stammelnder und unzulänglicher Versuch, das Er-
lebte auszudrücken und seinen Inhalt zu gestalten, ist die Kunst. Das
Kunstwerk fängt nicht das Erlebnis ein, sondern nur das, was es in
seinem Schöpfer an Ausdrückbarem hervorgerufen hat; Inhalt, Farbe
und Kraft des Erlebens, die ganz aus dem Innern kommen, bleiben
ihm fern. Wohl vermag auch das Kunstwerk bei dem, der es auf sich
wirken läßt, neues Erleben zu entzünden. Doch das Erleben, das das
Kunstwerk auslöst, ist nicht jenem adäquat, das sein Schöpfer aus-
drücken wollte. Der Künstler gibt dem Werke Ton, Klang, Farbe,
Worte, Gestalt, doch nicht Erlebnis; wir aber nehmen daraus mehr als
die Empfindung von Ton, Klang, Farbe, Worten, Gestalten, wir erleb-
en es. Und dieses Erlebnis ist ein Anderes, ein Neues und Neuartiges.
Mit aller Mystik und Metaphysik steht es nicht anders. Wir nehmen
die Worte, doch den Sinn - das Erlebnis - müssen wir selbst dazutun.
Denn an das Volle, an das Ganze, an das Leben reichen unsere Aus-
drucksmittel und unsere Denkmittel nicht heran. Es ist, wie die alten
Inder vom Brahman sagten, dasjenige, »vor dem die Worte kehren um
und die Gedanken, ohne es zu finde« 1).
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